Homophobe Menschenjagd in Tschetschenien

Photo: twobot / photocase.de
In der russischen Teilrepublik Tschetschenien sind Medienberichten zufolge mehr als 100 Männer „im Zusammenhang mit ihrer nicht-traditionellen sexuellen Orientierung – oder deren Verdacht“ festgenommen worden. Drei Menschen seien bei den landesweiten Razzien ums Leben gekommen. Homosexualität steht in der islamisch geprägten Region zwar nicht unter Strafe, wird aber geächtet.
Ausgelöst sei die Anti-Schwulen-Aktion worden, nachdem Aktivisten der Homosexuelleninitiative Gayrussia.ru um die Genehmigungen für die Abhaltung von Paraden in mehreren Städten im Kaukasus angesucht hätten. Die Anfragen seien wenig überraschend zurückgewiesen worden, seien aber ohnehin nur pro forma gestellt worden. Die Gruppe sei dabei, Beweise zu sammeln, um eine Klage gegen Russland vor dem Europäischen Menschenrechtsgerichtshof (EGMR) vorzubereiten.
Unter der LBGT-Community des Landes herrsche nun Panik. Zahlreiche Homosexuelle würden nun ihre Onlineprofile löschen oder aus der Region fliehen. Ohnehin lebe kein Schwuler seine sexuelle Orientierung offen aus – das würde einem Todesurteil gleichkommen.
Menschenrechtsverletzungen sind in Tschetschenien häufig. Zwei Jahrzehnte lang führte Russland in der heute autonomen Region gegen muslimische Aufständische Krieg. Bis heute gehen Polizei und Sicherheitskräfte teils brutal gegen Oppositionelle vor. Bislang war die LGBTI-Community, also Lesben, Schwule, Bisexuelle, trans- und intergeschlechtliche Menschen, davon zumindest nicht in groß angelegten Razzien betroffen. Verfolgt werden sie aber seit Jahren in der muslimisch geprägten Region. Auch von ihren eigenen Familien.

Offiziell gibt es keine Schwulen
Die Organisation Russisches LGBT-Netzwerk, die sich für Rechte von Homosexuellen in Russland einsetzt, hat eine Hotline für Opfer eingerichtet. Rund 20 Männer hätten seit Februar angerufen, entweder Opfer oder deren Freunde, erzählt die Sprecherin der Organisation, Swetlana Sacharowa.
„Sie alle fürchten sich zu Tode.“ Mehreren Männern habe das Netzwerk geholfen, Tschetschenien zu verlassen. Die Organisation habe sich auch an die Staatsanwaltschaft gewandt, doch bis jetzt keine Antwort bekommen.
Die Reaktion von tschetschenischen Behörden auf diese Berichte war zynisch. „Diese Publikation ist eine absolute Lüge. Man kann nicht jemanden festnehmen und unterdrücken, den es in der Republik gar nicht gibt“, sagte der Sprecher des tschetschenischen Präsidenten Ramsan Kadyrow.
Viele Opfer schweigen lieber, um sich nicht einer zusätzlichen Gefahr auszusetzen. Denn auch von ihren Familien und Freunden erfahren sie meist keine Unterstützung, sondern nur weitere Erniedrigungen. Ein schwuler Mann gilt in Tschetschenien als Schande für die ganze Familie. Das führt immer wieder zu „Ehrenmorden“, bei denen Homosexuelle von ihren Verwandten umgebracht werden.

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