Und was sagen die russischen Religionsgemeinschaften?
So sehr sich unsere drei großen, semitischen Weltreligionen untereinander bekriegen (Sigmund Freud spricht hier sehr treffend vom „Narzissmus der kleinen Unterschiede“), in der Frage um die Homosexualität sind sie sich einig:
Die Russisch-Orthodoxe Kirche ruft offen zum Protest gegen die LGBT-Bewegung auf und bringt die althergebrachte Verführungstheorie (LGBTs verführen Kinder und Jugendliche zur Homosexualität) ins Spiel.
Vertreter des Islams fordern gar, man solle LGBTs, die für ihre Interessen öffentlich auftreten, auspeitschen.
Unter den Juden tut sich insbesondere der Oberrabbiner Berl Lasar hervor, welcher Schwule als „sexuell Perverse“ bezeichnet und in LGBT-Paraden einen Verstoß gegen die Moral zu erkennen meint.
An dieser Haltung aller drei Religionen wird ersichtlich, dass sie wieder einmal nicht ihrer obersten Forderung nach Menschlichkeit und Nächstenliebe gerecht werden, sondern ihre Gläubigen aktiv gegen LGBTs verhetzen und auf diese Weise Gewalttätigkeiten, Morde aber auch Suizide und Suizidversuche unter LGBTs mitzuverantworten haben. Auch wird an dieser Stelle deutlich, dass Moral nichts mit Ethik gemein hat und gerne zwecks Aufrechterhaltung der eigenen Macht missbraucht wird. Die Glaubensgemeinschaften entmündigen freie, erwachsene Menschen und setzen die Moral absolut, als ob der Mensch für Moral und Gesetz da sei und nicht umgekehrt (wie es z.B. Jesus in Mt 12,1-13 fordert und selbst umsetzt). Moral ist keine absolute Größe, sondern etwas vom Menschen Gemachtes, und muss sich, gleich einer sachlichen Autorität, ständig hinterfragen und reflektieren lassen. Wird dies nicht getan, entstehen die grausamsten, sadistischsten Verbrechen im Namen der Moral, wie es uns Russland gerade vor Augen führt.
Es ist allerhöchste Zeit, dass die Religionen endlich erkennen, wie dringend es auf dieser immer enger werdenden Welt ist, Liebe und Sexualität von der Zeugung von Nachkommen radikal zu trennen und dass daher Homosexualität, Heterosexualität und Bisexualität gleichwertige und gesunde Ausdrucksformen von Liebe und Sexualität darstellen. Bevor dies der Fall sein wird, müssten die volksverhetzenden Vertreter/Vertreterinnen der Weltreligionen wohl aber erst einmal ihre ekklesiogenen Zwangsneurosen, Schuldgefühle und Ängste durcharbeiten, um mit ihrer eigenen Sexualität ins Reine kommen. Denn wer seine eigene Sexualität ablehnt, bekämpft sie an den anderen umso heftiger (Abwehrmechanismus der Projektion).
Autor: Florian Friedrich