Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) wird bei der kommenden Welt-AIDS-Konferenz in Washington (22. bis 27. Juli 2012) eine Reihe von Vorschlägen für neue Richtlinien zur Behandlung der Immunschwächekrankheit machen. Sie zielen darauf ab, durch eine möglichst frühzeitige und intensive Therapie die Weiterverbreitung von HIV zu unterdrücken, hieß es am Mittwoch in einer Aussendung.
„Jedes Jahr beginnen rund eine Million mehr Menschen aus Staaten mit niedrigem bzw. mittlerem Bruttoinlandsprodukt mit der Einnahme von antiretroviralen Medikamenten. Aber für jede Person, welche mit der Behandlung beginnt, stecken sich zwei mit HIV an. Eine weitere und strategisch richtige Steigerung der Verwendung der Medikamente könnte das radikal ändern. Wir haben Hinweise dafür, dass dieselben Arzneimittel, die Leben retten und gesund erhalten, auch wirken, indem sie die Übertragung des Virus von Person zu Person stoppen bzw. das Risiko reduzieren“, erklärte WHO-Generaldirektorin Margaret Chan.
In klinischen Studien hat sich im vergangenen Jahr gezeigt, dass man die Übertragung von HIV durch die Behandlung des infizierten Lebenspartners von Nichtinfizierten per Therapie um 96 Prozent verringern kann.
Die Empfehlungen konzentrieren sich auf drei Punkte:
1. Jede/r HIV-Positive sollte die antiretroviralen Medikamente bekommen, wenn sein Lebenspartner nicht infiziert ist – unabhängig vom Status des Immunsystems des Infizierten.
2. Alle Schwangeren sollten die Therapie erhalten, ebenfalls unabhängig von ihrem Immunstatus, um die Übertragung von HIV auf das Kind möglichst zu verhindern.
3. Derzeit empfiehlt die WHO, mit der Therapie zumindest zu beginnen, wenn die Zahl der CD4-positiven Zellen pro Kubikmillimeter Blut unter 350 fällt (Normalbereich: um 1.000) und somit Anzeichen für eine Schwächung des Immunsystems vorliegen. Doch für die Weltgesundheitsorganisation wird es immer wahrscheinlicher, dass man noch früher beginnen sollte. Dies geschieht seit längerem in den westlichen Industrieländern. HI-Viren dürften nämlich auch Komplikationen (chronische Entzündungsreaktion, Atherosklerose, Krebs) schon lange vor der massiven Schwächung der Abwehrkräfte hervorrufen.
Resistenzen gegen die Anti-HIV-Therapie sind laut WHO offenbar nicht das größte Problem. Seit 2003 ist die Zahl der Behandelten in den ärmeren Ländern von 400.000 auf acht Millionen gestiegen. Die Resistenzrate liegt bei 6,8 Prozent. In den westlichen Industriestaaten mit breitem und früheren Zugang zur antiretroviralen Therapie liegen sie konstant bei acht bis 14 Prozent.