Die Tablette, die vor AIDS schützt

Ein kürzlich veröffentlichte Studie, welche in Uganda, Kenia und Botsuana durchgeführt worden ist, hat gezeigt, dass sich das Risiko einer Virusübertragung um bis 73 % verringere, wenn der gesunde (!) Partner täglich eine Kombipille zu sich nehme. Die Tablette enthält die Wirkstoffe Tenofovir und Emtricitabin. Diese neue Art der HIV-Vorbeugung heißt in der Forschungssprache PrEP (Pre-Exposure-Prophylaxis). Dabei geht es darum, Menschen, die nicht mit HIV infiziert sind, bereits vor einer möglichen Ansteckung mit antiretroviralen Medikamenten – den gleichen Mitteln, die auch HIV-Patienten erhalten – gegen das Virus zu behandeln. „Dies ist ein großer wissenschaftlicher Durchbruch, der noch einmal bestätigt, welch wesentliche Rolle antiretrovirale Medikamente bei der Aids-Bekämpfung spielen“, meint UNAIDS-Direktor Michel Sidibé.
Davon abgesehen, dass gesunde Menschen aufgefordert werden vorbeugend Medikamente gegen HIV/AIDS zu nehmen, während unzählige Betroffene keine Therapie erhalten, ist die Vorgangsweise dieser Studien im Allgemeinen mehr als bedenklich. Was wird gemacht? Das „International Clinical Research Center“ der Universität Washington hatte im Sommer 2008 ihre staatlich genehmigten und geförderten Menschenversuche mit 4.758 Paaren begonnen, von denen jeweils ein Partner mit dem Virus infiziert war. Ein Teil der gesunden TeilnehmerInnen nahm die antiretroviralen Medikamente ein, der andere Teil erhielt Placebos. Bis Ende Mai diesen Jahres hatten sich 47 der Placebo-Einnehmer infiziert, aber nur 18 von denen, die Tenofovir nahmen und 13, die Tenofovir und Emtricitabin in Kombination bekamen. In Botsuana führte das „United States Centers for Disease Control“ eine ähnliche „Studie“ bei 1.200 Männern und Frauen durch. Auch in diesem Fall hatte sich die Gefahr einer Übertragung durch die Pillenverabreichung im Vergleich zur Einnahme von Placebos deutlich verringert.

UNAIDS und die WHO sehen in diesen so genannten Studien einen Durchbruch im Kampf gegen HIV/AIDS. Zugleich warnten sie aber davor, sich mit Tabletten in Sicherheit zu wiegen, da keine einzelne Methode komplett vor HIV schütze. Die Tabletten müssten mit anderen Methoden kombiniert werden wie etwa Kondomen, medizinischer männlicher Beschneidung, einer geringeren Partnerzahl und längerem Warten bis zum ersten Sex. Bei einigen dieser Vorschläge könnte man meinen, die bedeutendsten Gesundheitsorganisationen der Welt sind von der katholischen Kirche unterwandert worden. Gänzlich negiert werden die wissenschaftlichen Erkenntnisse der letzten Jahre zur Infektiosität HIV-Infizierter. Menschen mit HIV ohne sexuell übertragbare Krankheiten (STDs) sind unter wirksamer antiretroviraler Therapie, das heißt, die Viruslast liegt unterhalb der Nachweisgrenze, sexuell nicht infektiös. Aus diesem Grund ist der vorgeschlagene Weg, gesunde Menschen präventiv mit Tabletten zu behandeln, völlig skurril – man bedenke die Nebenwirkungen – und auch jede Untersuchung in diese Richtung Zeitverschwendung und darüber hinaus zynisch, vor allem vor dem Hintergrund, dass, laut UNAIDS (!), neun Millionen HIV-Positive, die dringend behandelt werden müssten, keinen Zugang zu lebensverlängernden Medikamenten haben. Besonders dramatisch sieht die Lage bei den jüngeren Betroffenen aus, da in den so genannten Enwicklungsländern nur 28 % der infizierten Kinder therapiert werden.
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