Studie löst Ethik-Debatte aus

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Die internationale Staatengemeinschaft ringt noch immer darum, möglichst vielen HIV-Infizierten die moderne antiretrovirale Therapie zukommen zu lassen. In der Weiterentwicklung der Behandlungsmöglichkeiten könnten in Zukunft auch monoklonale Antikörper wichtig werden, die das Immunschwächevirus direkt neutralisieren. Doch bei der Erprobung der Wirksamkeit dieser Strategie ergibt sich eine ethisch heikle Frage: Darf man solche Mittel in Regionen testen, die sich später das fertig entwickelte Medikament wohl nie leisten können? Das Thema beschäftigt derzeit weltweit führende ExpertInnen.

Die Vorgeschichte
Anfang Juli 2010 hatten die Wissenschafter am Impfstoffforschungszentrum des nationalen US-Instituts für Allergien und Infektionskrankheiten (NIAID) unter Anthony Fauci Grund zum Feiern. Sie hatten mehrere Antikörper entdeckt, die in der Lage waren, ein breites Spektrum von HI-Viren unschädlich zu machen.
"Die Entdeckung dieser außergewöhnlich breit wirkenden, neutralisierenden Antikörper gegen HIV und die Analyse ihrer Struktur, welche die Wirkungsweise erklärt, sind aufregende Fortschritte. Sie werden unsere Bemühungen beschleunigen, eine prophylaktische AIDS-Vakzine zu entwickeln", sagte Fauci.
In der Form des von dem Institut entwickelten VRC01-Präparats mit monoklonalen Antikörpern, welche das Andocken der Immunschwächeviren am GP120-Rezeptor ihrer Zielzellen (CD4-positivie Zellen) verhindern, gibt es mittlerweile bereits Mittel, das auf seine Wirksamkeit überprüft werden soll. Und das tut man am besten in Regionen, in denen es möglichst viele Betroffene gibt.

Laut Meredith Wadman von der US-Wissenschaftszeitschrift "Science" ist man mit der Planung für eine Wirksamkeitsstudie an rund 3.000 Neugeborenen in Afrika schon recht weit. Es soll um die Verhinderung von HIV-Infektionen bei Neugeborenen durch da Stillen gehen. Immerhin werden dadurch 40 bis 50 Prozent der derzeit jährlich rund 300.000 HIV-Infektionen bei Babys im südlichen Afrika hervorgerufen. Zwar hat man mit der herkömmlichen antiretroviralen Therapie mit möglichst großer Unterdrückung der HI-Viren im Blut von Schwangeren und jungen Müttern große Erfolge bei der Verhinderung der Übertragung der Erreger auf die Kinder erreicht, doch bei zwei bis fünf Prozent der Babys kommt es dennoch zu einer Ansteckung.
 
Pro & Contra
Deshalb soll VRC01 zusätzlich zu der antiretroviralen Behandlung der Mütter eingesetzt werden. Kritiker sind alarmiert. Arthur Ammann, Präsident von "Global Strategies for HIV Prevention" in Albany im US-Staat Kalifornien: "Da würde man etwas an Babys testen, was ihnen oder anderen Menschen in armen Ländern nie zugute kommen wird." Immerhin kosten derzeit Therapien mit monoklonalen Antikörpern bei Krebs, chronischer Polyarthritis (Gelenksrheuma) und anderen Erkrankungen pro Jahr tausende Euro.
Auf der anderen Seite stehen die Proponenten, die auch gute Argumente vorbringen können. "Wenn Sie ein Produkt haben, von dem Sie denken, es könnte eine Infektion verhindern, ist es dann ethisch, es nicht zu erproben?", fragte Barney Graham vom nationalen US-Impfstoff-Forschungszentrum.
Ganz so schnell wird es nicht gehen: Die US-Arzneimittelagentur FDA muss VRC01 erst in den Status eines Arzneimittels heben, das für die Untersuchung in klinischen Studien geeignet ist. Erst dann könnte die Untersuchung in Staaten wie Botswana, Malawi, Südafrika, Tansania, Uganda, Sambia und Simbabwe starten.
David Ho, ein anderer international bekannter HIV-Forscher, hat Studien mit einem ähnlichen Antikörper-Präparat in China bereits abgesagt: Sie entdeckten, dass die herkömmliche antiretrovirale Therapie von jungen Müttern gemeinsam mit der Versorgung mit sauberem Trinkwasser für die Herstellung von Muttermilch-Ersatznahrung allein schon die HIV-Übertragungsrate auf unter ein Prozent reduziert. Da bleibt mit monoklonalen Antikörpern kaum Raum für Verbesserung.
Derzeit leben weltweit rund 34 Millionen Menschen mit HIV/Aids (davon 16,7 Millionen Frauen und 3,3 Millionen Kinder unter 15 Jahren). Pro Jahr sterben daran rund 1,7 Millionen Menschen. 2011 steckten sich weltweit rund 2,5 Millionen Personen neu mit HIV an (700.000 weniger als beispielsweise im Jahr 2001). Die Zahl der Neuinfektionen bei Kindern ging zwischen 2003 und 2011 um 43 Prozent zurück. Das ist auch das Ergebnis der Bemühungen, möglichst vielen HIV-Positiven eine Therapie zukommen zu lassen. Das trifft derzeit auf rund acht Millionen Menschen zu.
 

 

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