Infektionen bei MigrantInnen

Immer wieder werden MigrantInnen auch als „Gesundheitsgefahr“ für die restliche Bevölkerung gesehen. Dabei ist ein Faktum, dass Zuwanderer aus anderen Staaten – vor allem aus Ländern mit geringerem Bruttoinlandsprodukt – in den westlichen Industrieländern Gesundheits- und Sozialleistungen zu einem geringeren Teil in Anspruch nehmen als die lokale Bevölkerung. Bleibt aber noch zu hinterfragen, ob es durch die Migration auch zur vermehrten Einschleppung infektiöser Krankheiten kommen könnte.

SickRick / photocase.de Photo: SickRick / photocase.de

Ein klares Nein!
Das ECDC (Stockholm) hat dazu erstmals einen Bericht verfasst, der vor allem auf den Daten von 2010/2011 beruht. Dabei wurden die Informationen von 24 Staaten berücksichtigt. 40 Prozent der HIV-Infektionen in der EU und 25 Prozent der TB-Erkrankungen treten unter der Personengruppe der Migranten auf. Das ist vor allem der Effekt der Armut in den Herkunftsländern und sozialer Nachteile in den Aufnahmeländern. Eine Gefahr für die Bevölkerung in den Aufnahmestaaten besteht kaum. Das ist das Ergebnis eines neuen Reports des EU-Zentrums für Krankheitskontrolle (ECDC).
Sehr stark ist naturgemäß die Verbindung zwischen dem Sozialstatus und der Häufigkeit von Tuberkulose-Infektionen. So heißt es im dem ECDC-Bericht: „Obwohl die Mehrheit der TB-Fälle in Europa bei Menschen vorkommen, die in Europa auch geboren wurden, ist die TB auch eine ernste Angelegenheit unter den Migranten. Der Anteil der TB-Fälle unter den Migranten hat sich vom Jahr 200 bis 2010 von zehn auf 25 Prozent erhöht.“ In Zypern, Island, den Niederlanden, Schweden und Großbritannien betrage der Anteil der Zugewanderten unter den TB-Erkrankten mehr als 70 Prozent.

In Österreich mit einem Anteil von Migranten von 15,6 Prozent an der Gesamtbevölkerung (2010) lag der Anteil dieser Patienten an den Tuberkulose-Kranken bei knapp unter 50 Prozent, rund 40 Prozent entfielen auf die Menschen, die in Österreich geboren worden sind.
Auch bei HIV gibt es deutliche Aussagen: 40 Prozent der HIV-Infektionen traten in Europa bei Menschen aus der Gruppe der Migranten auf. In Polen und der Slowakei sind es beispielsweise um die fünf Prozent, in Schweden auf der anderen Seite der Skala mehr als 70 Prozent. In Großbritannien haben sich 46 Prozent der Heterosexuellen mit neu diagnostizierter HIV-Infektion in dem Aufnahmeland mit dem Immunschwächevirus angesteckt.

Im Frühjahr 2012 hatte der Wiener Tropenmediziner Herwig Kollaritsch zum Beispiel bei der wissenschaftlichen Fortbildungstagung der Österreichischen Apothekerkammer erklärt: „Ein wissenschaftliche Untersuchung aus Schweden hat gezeigt, dass dänische Immigranten, die in der Türkei zwischen 1995 und 2006 Verwandte besuchten, ein um das 600-Fache höheres Hepatitis A-Risiko hatten als dänische Touristen, die in das Land als Urlaubsreisende kamen.“ Dazu trage innerhalb von Familie und Bekannten natürlich auch der engere Kontakt bei – im Vergleich zu Touristen, welche die lokale Bevölkerung womöglich bloß als Hotelmitarbeiter sehen. Die Migration sei insgesamt eine große Herausforderung für die öffentliche Gesundheit im 21. Jahrhundert.

Laut dem neuen ECDC-Bericht allerdings sind Migranten in Europa nicht stärker von Syphilis oder Gonorrhö betroffen als Personen, die in Europa geboren worden sind. Schlagend wird auf jeden Fall der häufiger schlechte Sozialstatus der Zugewanderten. Das führt neben einer späteren Diagnose von Infektionskrankheiten und durch den schlechteren Zugang zum Gesundheitswesen auch zu schlechteren Heilungschancen.

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