Gedanken zum Welt-Aids-Tag

 

Immer wieder stößt man in der Arbeit als Präventionsarbeiter auf die romantische Vorstellung, HIV sei heute nicht mehr so tragisch, und wenn man HIV-positiv sei, könne man  endlich so richtig die Sau rauslassen. So gibt es etwa Menschen, die pozzen, d.h. bewusst nach Sexualpartnern mit einer hohen Viruslast suchen, um mit ihnen ungeschützten Verkehr zu praktizieren.
Das Leben eines HIV-Positiven ist freilich alles andere als romantisch: Es stimmt schon, dass HIV dank der Hochaktiven Antiretroviralen Therapie (HAART) zum Glück kein Todesurteil mehr ist. Bedeutete eine HIV-Diagnose bis Mitte der 1990er Jahre noch eine deutlich verkürzte Lebenserwartung, so hemmen heute die Medikamente die Vermehrung des Virus im Körper und verhindern den Ausbruch von AIDS. Dank der Therapie können Betroffene mittlerweile mit einer Lebenserwartung von 60, 70 Jahren rechnen. Dies bedeutet jedoch nicht, dass HIV auf die leichte Schulter genommen werden darf, da die Nebenwirkungen der HAART sehr heftig ausfallen und darüber hinaus gesundheitliche Schäden, die sich häufig erst mit zunehmendem Alter zeigen, verursachen können. Da diesbezüglich noch Langzeitstudien ausstehen, sehen sich persönlich Betroffene, MedizinerInnen, WissenschaftlerInnen und PflegerInnen mit vielen offenen Fragen konfrontiert. Gerade im Alter steigt das Risiko, einen Schlaganfall oder Herzinfarkt zu erleiden, und auch Fälle von Leber- oder Nierenschäden sowie Knochenschwund (Osteoporose) nehmen zu. Des Weiteren verlagert sich bei manchen PatientInnen das Fettgewebe und führt zu einer unschönen Figur. Die kognitiven Leistungen, die auch bei völlig gesunden Menschen im Alter nachlassen, nehmen bei HIV-PatientInnen überdurchschnittlich stark ab.
Die oben erwähnte idealisierende Vorstellung ignoriert auch die seelischen Belastungen von Diskriminierungen, die für HIV-Positive zum Alltag gehören. Generell könnte in Österreich der Umgang mit HIV-positiven Menschen diskriminierender und ignoranter nicht sein:

Die Betroffenen werden häufig beim Bekanntwerden des positiven HIV-Status umgehend durch ihren Arbeitgeber  gekündigt, manche sogar von öffentlichen Einrichtungen oder Ämtern geoutet (Verletzung der Verschwiegenheitspflicht!) oder von ÄrztInnen in der Praxis erst am Ende der Ordinationszeiten behandelt. Bedauerlicherweise sind viele Menschen, die diskriminieren, nicht bereit, sich über HIV und dessen Übertragungswege zu informieren, und das obwohl es sehr gut recherchierte Artikel (wie etwa auf Wikipedia) gibt. Hierbei handelt es sich um große Ignoranz, denn im Zeitalter des Internets sind Informationen zu HIV und AIDS jedem (jüngeren) Menschen leicht zugänglich. Ein anderes Problem hingegen ist, dass die Generation Internet nicht fähig ist, zwischen seriösen online-Informationen und HPs, die moderne Märchen und urbane Legenden verbreiten, zu differenzieren.
 
 
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